25.01.2014

Hängerock für Wikinger-Frauen

Heute hab ich mein erstes historisches Kleidungsstück für euch. Da ich mich in die Wikinger-Darstellung begeben möchte, wollte ich auch einen Hängerock schneidern. Darstellungszeitraum und -region liegen bei mir erstmal nur grob fest und ich muss es auch nicht 100% belegbar haben. Allerdings will ich eben den ersten Schritt vom bis jetzt nur gekauften mittelalterlich angehauchten Kleidungsstil weg gehen und etwas mehr "Festigkeit" reinbekommen. Kurz: Wenn mich das nächste Mal jemand fragt "Und was sollen sie darstellen?" möchte ich nicht mit "Äh, eigentlich nichts... so wirklich..." antworten, sondern ein paar sinnvolle Antworten parat haben.

Jetzt zum eigentlichen Inhalt zurück. Ich möchte euch nicht nur zeigen, was ich geschneidert habe, sondern habe auch ein wenig den Prozess dokumentiert. Es ist keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wird aber hoffentlich dem ein oder anderen weiterhelfen.

Der Hängerock ist ein Überkleid, dass bei den Wikingern eher in den höheren Ständen verbreitet war. Trotzdem tragen ihn auch viele einfache Darsteller, vermutlich weil er "typisch Wiki" wirkt. Man findet dieses Kleid auch unter Schürzenkleid, Wikinger-Schürze, Trägerkleid, Trägerrock, Wikingerkleid und einigen anderen Begriffen. Ich persönlich bleibe bei Hängerock der Einfachheit halber.

Als nächstes möchte ich euch das Dokument geben, nach dem ich mich gerichtet habe. Das habe ich ursprünglich auf der Seite tjurslakter.nl gefunden und abgespeichert. Leider sind sämtliche Dokumenten-Links auf dieser Seite schon seit einiger Zeit tot. Deswegen habe ich das PDF "Viking Apron Dress" nochmal hier im neuen Downloadbereich für euch hochgeladen. Darin findet ihr verschiedene Schnitt-Varianten je nach Zeit und Region und ein wenig Wissen dazu. Das PDF ist in englisch, dürfte aber gut verständlich sein. Sollte jemand nicht damit klar kommen, habe ich auch nochmal ein PDF für die Schnittvariante, wie ich sie gewählt habe in deutsch verfasst.


Näh-Doku

Der erste Schritt war, mich auszumessen und den Stoff dementsprechen zuzuschneiden. Bei der Länge habe ich erst einmal den kompletten vorhanden Meter genommen, da ich noch nicht wusste, wie lang ich das Kleid haben wollte. Diese lässt sich wohl auch nicht mehr aus den Funden ableiten, allerdings sieht man sie oft deutlich kürzer als das Unterkleid. Ich habe meines am Ende ca. 2 Handbreit unterm Knie lang gelassen.

Danach habe ich jeweils zwei Keile an Vorder- und Rückseite genäht. Dabei sollte man darauf achten, dass der rechte Winkel des Keils zum Torso-Teil hin liegt! Beim Hängerock bekommt man so eine schönere Form. Näht man eine andere Kleidform mit Keilen, z.B. ein Unterkleid ist der Saum meist abgerundet und dann sollten die rechten Winkel vom Torso-Teil weg liegen, also mit dem rechten Winkel des anderen Keils verbunden werden. Dazu werde ich noch einmal kommen, wenn ich mein Unterkleid nähe. Ihr könnt also auch auf einen Blogeintrag dazu gespannt sein.


Torso-Teil mit angenähten Keilen

Das Schildchen dient mir übrigends lediglich dafür um Vorder- und Rückteil zu unterscheiden. Wie man auf dem nächsten Bild sieht, sind die Keile ein klein wenig länger als der Torso-Teil. Das hat den Vorteil, dass man dann nicht mit beim Zusammennähen zweier Keilspitzen so rumfummeln muss.

überstehende Keilspitze

Nächster Schritt: Zusammennähen von Vorder- und Rückteil. Danach habe ich dann die überstehenden Spitzen abgeschnitten.

Vorder- und Rückteil an den Keilen zusammengenäht


Ab da habe ich dann eine Sicherheitsnadel anstatt des Schildes benutzt. Man sieht hier auch die Bändchen, die ich vorläufig als Träger angeheftet habe, um das Kleid anzuprobieren. Danach musste ich nochmal ein wenig auftrennen und enger zusammennähen. Ich neige dazu viel zu große Nahtzugaben zu verwenden aus Angst, ich könnte was falsch messen, schneiden oder nähen. Nachdem alles passte, hab ich die Bändchen wieder abgemacht und obenrum alles knappkantig gesäumt.

ganz knapp an der Kante genäht
 
Achtung: Jetzt kommt ein Teil der nicht historisch korrekt ist!
Wie man auch in den beiden PDF oben sehen kann, werden die Träger als je eine lange Schlaufe hinten und eine kurze Schlaufe vorn genäht und dann mit einer Ovalfibel verbunden. Da ich noch keine Fibeln besitze, den Hängerock aber schon tragen möchte, habe ich einfache Träger genäht und diese auch fest angenäht. Sobald ich Fibeln habe, werde ich die vorläufigen Träger wieder abtrennen und neue nähen. Blendet also bitte diesen Teil gedanklich aus, wenn ihr selbst einen Hängerock nähen wollt. Wenn ich die neuen Träger fertig habe, werde ich das hier nachtragen oder verlinken.

Nachtrag vom 07.04.2015
Die richtigen Träger und die dazugehörige kurze Näh-Doku findet ihr nun hier.

Träger auf links zusammengenäht

Die Träger habe ich als Schlauch genäht. Dazu legt man je zwei gleiche Stoffstreifen übereinander und näht sie an zwei langen und einer kurzen Seite zusammen. Mit Hilfe eines stumpfen langen Gegenstands (z.B. einem Lineal) und der offenen Seite wendet man die Streifen. So werden die Nähte schön versteckt.

Träger gewendet und gebügelt

Die verbliebene offene Kante kann man entweder per Hand mit dem Matratzenstich arbeiten oder einfach sichtbar nochmal drüber nähen. Ich habe letzteres gemacht, weil man die Enden sowieso nicht sieht und ich somit eine Möglichkeit habe von innen Vorder- und Rückteil zu erkennen. Näht man die Schlaufen für die Fibeln an, erkennt man den Unterschied natürlich.

eine unsichtbare und eine sichtbare Naht

Durch die Bändchen bei der Anprobe habe ich schon einmal die ungefähre Länge der Träger abschätzen können. Dann habe ich die fertigen Träger erstmal mit Sicherheitsnadeln angesteckt, den Hängerock angezogen und solange rumprobiert und umgesteckt, bis das Kleid saß. Das fiel bei mir nicht symetrisch aus, da ich es ja noch einmal enger genäht habe und dabei beim Vorder- und Rückteil unterschiedlich viel Breite weggenommen habe. Zudem ist der menschliche Körper nicht perfekt symetrisch und wenn es sitzt, dann sitzt es

angenähter Träger

Nachdem die Träger angenäht waren, probierte ich den Hängerock noch einmal an und steckte ihn immer wieder in verschiedenen Längen ab, bis es mir gefiel. Dann nochmal ausziehen und den unteren Saum umnähen. Hierbei können sich mehr oder weniger große Falten legen, da der Hängerock ja nach unten hin weiter wird. Entweder legt man sich die Falten ein wenig zurecht, sie sind ohnehin nur innen zu sehen. Oder man begradigt die Keile an ihrer längeren Seite, sodass der umgeschlagene Bereich wieder gerade verläuft.


Zusammenfassung


Hängerock an der Schneiderpuppe



Schwierigkeit: ■■□□□
Zeit: ca. 15 Std.
verwendete Materialien: ca. 2m leichte strahlendgrüne Wolle von Naturtuche.de

Wenn man grundlegendes Nähwissen wie Maße nehmen, auf Links nähen, irgendeine Art von Säumen und evtl. Versäubern beherrscht, dann ist so ein Hängerock wirklich kein Problem. Ich habe zwei Tage hintereinander gearbeitet, aber nicht wirklich auf die Zeit geachtet, schätze es aber so auf 15 Arbeitsstunden mit Zuschnitt und zigmal Probetragen. Zudem habe ich ja eine alte Tret-Nähmaschine und arbeite damit auch gemütlich, stellenweise sogar nur per Handkurbel. Bei Naturtuche habe ich das erste Mal bestellt und fand den Wollstoff einfach herrlich! Vor dem Verarbeiten habe ich ihn gewaschen, weil er noch etwas einging. Leider hab ich nicht an's Wollwaschprogramm gedacht und so hat er ganz schön gefilzt. Das wiederum ersparte mir allerdings dann das Versäubern der Schnittkanten.

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Hier ist nochmal der Hängerock an mir zu sehen. Das Unterkleid ist übrigends noch ein altes, gekauftes aus Baumwolle. Ich bin sehr zufrieden mit dem Kleid, finde mich hübsch drin und kann mich gut bewegen. Nächstes Gewandungs-Projekt wird dann ein Überkleid (unter dem Hängerock getragen) aus brauner Wolle sein und im Anschluss vielleicht auch gleich ein Leibchen/Leibhemd. Beides wird wieder festgehalten und vielleicht bastele ich sogar eine Anleitung draus.
 
Solltet ihr Fragen haben, dann nutzt die Kommentare oder schreibt mich auf meiner Facebook-Seite an.

2 Kommentare:

  1. Ich habe mir nach dieser Vorlage auch einen Hängerock gemacht. Er ist richtig schön geworden - von daher Danke für die tolle Vorlage! Mehr davon :D

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    1. Freut mich sehr, dass es geholfen hat und du erfolgreich warst :)
      Ich versprach ja schon eine Anleitung zum Überkleid und sitze auch schon an der Schreibarbeit ;)

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